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Sechs Thesen zum Smart-Living-Markt

Sechs Thesen zum Smart-Living-Markt – ein Interview mit Michael Schidlack, Experte für Smart Home und IoT und stellv. Leiter der Geschäftsstelle Smart Living

Veröffentlicht am 15.04.2019

 

Hallo Michael, Du bist ausgewiesener Experte und bringst umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen SmartHome und Internet of Things (IoT) mit. Wir kennen uns schon aus der Zeit, als SmartHome noch ein absolutes Insider-Thema war und Du für den Arbeitskreis Smart Home beim IT-Verband Bitkom verantwortlich warst. Die wenigen Nutzungsmöglichkeiten waren zu dieser Zeit eigentlich nur den Fachexperten vorbehalten. Seitdem hat sich, insbesondere mit der Verfügbarkeit von Smartphone und Tablet, viel verändert und unser Alltag ist ohne Berührung mit SmartHome bzw. Connected Home nicht mehr denkbar.

 

Michael Schidlack - Initiative Smart Living

Du hast zu den aktuellen Entwicklungen sechs Thesen aufgestellt, die in den hier verfügbaren Folien nachzulesen sind und über die wir etwas mehr erfahren wollen.

These 1: Smart Living hat das Potenzial zum „Mega-Ökosystem der Zukunft“

Frage: Ist SmartHome also deutlich mehr als nur die Licht- und Heizungssteuerung?

 

Grundsätzlich ist es heute – je nach System – bereits möglich (nahezu) alles, was im Haus elektrisch ist, in ein Smart-Home-System einzubinden. Dazu gehören neben Licht und Heizung auch die Unterhaltungselektronik, Elektrogroß- und Kleingeräte, sämtliche Sensorik und Aktorik wie Schließkontakte, Bewegungsmelder, Rollläden, Toranlagen und Garagentore, Türschließvorrichtungen, Kameras, Gartengeräte, Sprechanlagen, Klimageräte – nur um die wichtigsten heute üblichen zu nennen. Der neueste Trend ist – wie vor allem in Japan bereits seit vielen Jahren üblich – auch die Einbindung von wasserführenden Einheiten, wie Duschen, Badewannen, Wasserhähnen mit elektronischen Stellventilen und Toiletten.

 

These 2: Smart Living fördert die Bildung von „Mega-Plattformen“

Frage: In einem solchen Ökosystem fallen sehr viele Daten an. Wer hat die Datenhoheit und kann damit neue Geschäftsmodelle umsetzen?

 

Bedingung für die Entstehung solcher Ökosysteme ist Vertrauen auf allen Ebenen. Die Datenhoheit des Verbrauchers wurde auf europäischer Ebene durch die Datenschutz-Grundverordnung massiv gestärkt. Diese regelt in der gesamten EU, wie Unternehmen mit personenbezogenen Daten der Verbraucher umzugehen haben. Das gilt sowohl für diejenigen Unternehmen, die eine Niederlassung in der Europäischen Union haben, als auch für solche, die Daten von EU-Bürgern verarbeiten. Die EU verfolgt mit der Datenschutz-Grundverordnung primär zwei Ziele: den Schutz personenbezogener Daten und die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in Europa. Dies ist auch für die Unternehmen, insbesondere für die europäischen Unternehmen, die Smart Home Systeme anbieten eine gute Nachricht, denn Unternehmen aus Ländern, in denen geringere Datenschutzbestimmungen gelten, müssen sich jetzt an die gleichen Spielregeln halten wie europäische Unternehmen, wenn sie in Europa aktiv sind. Die Ausgangslage ist also für alle Anbieter dieselbe. Das stärkt jetzt insbesondere die Chancen, dass auch neue europäische Ökosysteme und damit in Europa generierte Umsätze und Geschäftsmodelle entstehen können, und das ist auch wünschenswert.

 

These 3: Experten rechnen ab 2020 mit einem Durchbruch von Smart Living zum Massenmarkt.

These 4: Der Umsatz des Smart-Living-Marktes wird in den kommenden Jahren rasant ansteigen.

Frage: Wo, womit bzw. für welche Bereiche werden diese Umsätze entstehen?

 

Die Umsätze entstehen vor allem im Bereich Komfortsteigung, Energieeffizienz, Versicherungsdienstleistungen, Services rund um die Wartung von technischen Einrichtungen, Mobility-Services und E-Mobility sowie Sicherheit und Unterstützung von älteren Menschen, dass diese länger selbstbestimmt in der eigenen Wohnung bleiben können. Darüber hinaus ist auch vorstellbar, dass die Wohnungswirtschaft diese Technologien nutzt, um neuartige Services für Mietwohnungen oder auch Wohnanlagen mit Eigentumswohnungen anzubieten.

 

These 5: Die Beherrschung der Komplexität von Smart Living ist nur durch Kooperationen möglich.

Frage: SmartHome-Ansätze gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Warum sollte es sich jetzt durchsetzen und wann ist es wirklich soweit?

 

Viele heutige Systeme setzen noch auf die einfache Steuerung, das heißt Einschalten, Ausschalten, Regeln. Also eine Art „Fernbedienung“ für alles. Dann kann man bei den meisten Systemen auch feste Szenen einrichten, wo mehrere Dinge auf einmal oder nacheinander passieren. Die Bedienung auslösen muss der Mensch oder aber entsprechende Sensoren mit meist einfacher Funktionalität. Bei der Veranlassung durch den Menschen kann man Smartphones, Tablets oder neuerdings auch die natürliche gesprochene Sprache nutzen. Es sind vor allem die Sprachassistenten, die das Thema Smart Home massiv beschleunigt haben.

 

Noch einfacher wird die Bedienung und vor allem die Einrichtung, wenn künstliche Intelligenz (KI) hinzugefügt wird. Die Vision wäre, dass Geräte nach einer gewissen Zeit automatisch die Präferenzen Ihrer Nutzer erlernen – aufwändige Programmierarbeiten und Einstellarbeiten von Szenen damit entfallen. KI wird nach und nach einfließen, auch in bestehende klassische Systeme. Voraussetzung hierfür sind in der Regel cloudbasierte Technologien, die aber durch die neue Datenschutzgrundverordnung eine bessere Akzeptanz finden dürften. Ein weiterer Durchbruch steht auch bei der elektronischen Bildverarbeitung bevor – so ist es vorstellbar, dass Kameras nicht mehr ein klassisches Video-Bild übertragen, sondern die Bild-Daten lokal auswerten und nur noch besondere Vorkommnisse in der Wohnung, wie zum Beispiel einen Sturz einer Person, melden oder wenn Kinder alleine zuhause sind, den Elektroherd abschalten etc. Damit wäre dann auch ein wichtiges Glied in der Kette geschlossen, die Einführung von Sensorik, die auch den jeweiligen Kontext interpretieren kann und somit flexibel und für eine Vielzahl von Zwecken einsetzbar ist. Das ist – wie gesagt – ein Blick in die Zukunft, die aber nicht allzu weit entfernt sein dürfte.

 

These 6: Die Entwicklung von Smart Living wird durch bestimmte Treiber maßgeblich beeinflusst.

Frage: Welche Treiber siehst Du?

 

Treiber des Marktes sind Preis, Interoperabilität und vor allem die einfache Bedienung. In allen Segmenten wurden erhebliche Fortschritte erzielt, vor allem im Bereich der Sprachassistenzsysteme, die sich inzwischen sogar als quasi-Standards im Smart Home etabliert haben und die Marktakzeptanz erheblich gefördert haben. Kaum jemand hatte so eine dynamische Entwicklung noch vor 10 Jahren erwartet.

Der Smart-Living-Markt ist also massiv in Bewegung.

 

Michael, vielen Dank für diese Erläuterung. Eine abschließende Frage drängt sich damit auf: Sollte man noch abwarten oder jetzt bereits damit beginnen und was empfiehlst Du Mietern und Eigentümern?

 

Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund bei Renovierung oder Neubau auf Smart Living zu verzichten, im Gegenteil sollte man solche Anwendungen unbedingt mit vorsehen. Wer einmal in einer smarten Wohnung gelebt hat, wird das bestätigen können: Der Komfortgewinn ist erheblich. Die verfügbaren Technologien sind ausgereift. Gerade bei Neubauten haben wir inzwischen einen Stand erreicht, dass eine digitale smarte Wohnung gar nicht mehr viel mehr kosten muss, als eine herkömmliche analoge Ausstattung, wenn man geschickt plant und vor allem dann, wenn man auch das langfristige Energieersparnispotenzial mit berücksichtigt. Auch die Nachrüstung von bestehenden Wohnimmobilien ist einfach geworden. Mieter können auf zahlreiche preiswerte Funksysteme zurückgreifen, die man bei Auszug wieder leicht entfernen kann.

 

 

Michael, vielen Dank für diesen Einblick und viel Erfolg für

Deine wichtige Arbeit bei der Wirtschaftsinitiative SMART LIVING.

Initiative Smart Living

 

 

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Das Interview führte Mark Rüdiger.